Nicht schon wieder. Bitte. Ich kann nicht - ich kann das einfach nicht noch mal durchstehen.
Mein Blick ist bittend, nein, flehend, doch meine Psychiaterin schüttelt nur leicht den Kopf. Sie flüstert mir zu, dass es ihr Leid tut, aber ehrlich gesagt bringt mir das herzlich wenig. Dabei ist es nicht so, dass es mich überrascht hätte - sie hatte ja bereits Andeutungen gemacht, dass ich wieder in die Klinik muss. Dummerweise habe ich mir Hoffnungen gemacht, es irgendwie abwenden zu können. Dumme, falsche Hoffnungen, wie sich jetzt herausstellt.
Den Weg von ihrem Sprechzimmer bis zum Ausgang gehe ich wie in Trance, sehe mich schon wieder meine Sachen packen, sehe das teilnahmslose Gesicht meiner Mutter vor mir, spüre schon jetzt den enttäuschten, verletzten Blick Lettys aus mir liegen. Rechts und links türmen sich die Flurwände auf, als würden sie gleich über mir zusammenbrechen wie tosende Wellen. Am liebsten würde ich mich irgendwo einkringeln.
Ich kann das nicht noch mal.
Hinter mir dröhnt irgendeine Stimme, die ich in meinem Loch aus Selbstmitleid ausblenden konnte. Doch sie wird Schritt für Schritt, den ich mich nach vorne schleppe, lauter. Bis ich sie nicht mehr ignorieren kann, bis ich das erste Mal richtig verstehe, was sie sagt. Es ist eine Mädchenstimme.
"Ey! EY! CLYDE!"
Ich drehe mich um und sehe das spitze Gesicht des Mädchens, das ich vor ein paar Tagen vor genau diesem Gebäude zum ersten Mal sah, näher kommen. Sie hört auf zu rennen, sie grinst.
"Wusste ich doch, dass du nich' wirklich Clyde heißt", raunzte sie mich an. Sie hat ihr braunes Haar schon wieder zu einem Zopf geflochten. Ich zucke wage die Achseln. "Hast du Bock auf 'n Eis?"
Eis? Jetzt? Irgendwie macht sie mich ziemlich sprachlos, die Gute.
Wir sitzen nebeneinander in der Fußgängerzone. Bonnie - die tatsächlich Bonnie heißt - verhindert gerade, dass ihr Eis, irgendeine Fruchtsorte, ihr von der Waffel über die Finger läuft. Meines ist in seinem Becher bereits zu einer undefinierbaren Suppe geschmolzen. Während sie die vorbeilaufenden Passanten beobachtet, mustere ich sie. Ich habe schon oft dünne Mädchen gesehen, aber Bonnie - Bonnie ist einfach unglaublich dürr. Vermutlich könnte ich meine Hand ohne weiteres um ihre beiden Oberarme schließen. Anstatt sich um mich zu kümmern, fängt sie die Blick einiger vorbeilaufender Teenagerjungs auf, von denen einer verstohlen auf uns zeigt. Auf uns, die Klappergestelle.
"Alter, hier gibt's nix zu glotzen!", schnauzt Bonnie ihn an, und sie gehen schnell weiter.
Unwirsch wendet sie sich zu mir. "Du starrst aber auch ganz schön, Niccilein."
Ich runzele die Stirn. Niccilein? Na wunderbar. Bevor ich irgendwas antworten kann, seufzt sie theatralisch.
"Keine Sorge, ich darf nächste Woche wieder in die Klinik. Danach geht's meistens wieder."
"Darf?", wiederhole ich überrascht. Ich habe das nie als etwas besonders erstrebenswertes gesehen - eher als Armutszeugnis.
"Klar darf. Die Klinik ist doch irgendwie schön." Sie betrachtet den Rest ihres Eises, zuckt mit den Schultern und steht auf, um es wegzuwerfen.
Ich bleibe sitzen und starre ihr nach.
Irgendwie schön.
"Vielleicht sehen wir uns nächste Woche in der Klinik, weißt du?", meine ich wage, als sie wieder kommt. Einen Moment lang sieht sie überrascht aus, dann breitet sich ein echtes Lächeln auf ihren Lippen aus.
"Ehrlich?"
Ehrlich, weil ich es nämlich schon wieder verbockt habe. Ich elender Versager. Aber sie ja auch, und sie wirkt absolut nicht, wie eine Versagertype. Ehrlich, Bonnie.
"Ehrlich."
Mein Blick ist bittend, nein, flehend, doch meine Psychiaterin schüttelt nur leicht den Kopf. Sie flüstert mir zu, dass es ihr Leid tut, aber ehrlich gesagt bringt mir das herzlich wenig. Dabei ist es nicht so, dass es mich überrascht hätte - sie hatte ja bereits Andeutungen gemacht, dass ich wieder in die Klinik muss. Dummerweise habe ich mir Hoffnungen gemacht, es irgendwie abwenden zu können. Dumme, falsche Hoffnungen, wie sich jetzt herausstellt.
Den Weg von ihrem Sprechzimmer bis zum Ausgang gehe ich wie in Trance, sehe mich schon wieder meine Sachen packen, sehe das teilnahmslose Gesicht meiner Mutter vor mir, spüre schon jetzt den enttäuschten, verletzten Blick Lettys aus mir liegen. Rechts und links türmen sich die Flurwände auf, als würden sie gleich über mir zusammenbrechen wie tosende Wellen. Am liebsten würde ich mich irgendwo einkringeln.
Ich kann das nicht noch mal.
Hinter mir dröhnt irgendeine Stimme, die ich in meinem Loch aus Selbstmitleid ausblenden konnte. Doch sie wird Schritt für Schritt, den ich mich nach vorne schleppe, lauter. Bis ich sie nicht mehr ignorieren kann, bis ich das erste Mal richtig verstehe, was sie sagt. Es ist eine Mädchenstimme.
"Ey! EY! CLYDE!"
Ich drehe mich um und sehe das spitze Gesicht des Mädchens, das ich vor ein paar Tagen vor genau diesem Gebäude zum ersten Mal sah, näher kommen. Sie hört auf zu rennen, sie grinst.
"Wusste ich doch, dass du nich' wirklich Clyde heißt", raunzte sie mich an. Sie hat ihr braunes Haar schon wieder zu einem Zopf geflochten. Ich zucke wage die Achseln. "Hast du Bock auf 'n Eis?"
Eis? Jetzt? Irgendwie macht sie mich ziemlich sprachlos, die Gute.
Wir sitzen nebeneinander in der Fußgängerzone. Bonnie - die tatsächlich Bonnie heißt - verhindert gerade, dass ihr Eis, irgendeine Fruchtsorte, ihr von der Waffel über die Finger läuft. Meines ist in seinem Becher bereits zu einer undefinierbaren Suppe geschmolzen. Während sie die vorbeilaufenden Passanten beobachtet, mustere ich sie. Ich habe schon oft dünne Mädchen gesehen, aber Bonnie - Bonnie ist einfach unglaublich dürr. Vermutlich könnte ich meine Hand ohne weiteres um ihre beiden Oberarme schließen. Anstatt sich um mich zu kümmern, fängt sie die Blick einiger vorbeilaufender Teenagerjungs auf, von denen einer verstohlen auf uns zeigt. Auf uns, die Klappergestelle.
"Alter, hier gibt's nix zu glotzen!", schnauzt Bonnie ihn an, und sie gehen schnell weiter.
Unwirsch wendet sie sich zu mir. "Du starrst aber auch ganz schön, Niccilein."
Ich runzele die Stirn. Niccilein? Na wunderbar. Bevor ich irgendwas antworten kann, seufzt sie theatralisch.
"Keine Sorge, ich darf nächste Woche wieder in die Klinik. Danach geht's meistens wieder."
"Darf?", wiederhole ich überrascht. Ich habe das nie als etwas besonders erstrebenswertes gesehen - eher als Armutszeugnis.
"Klar darf. Die Klinik ist doch irgendwie schön." Sie betrachtet den Rest ihres Eises, zuckt mit den Schultern und steht auf, um es wegzuwerfen.
Ich bleibe sitzen und starre ihr nach.
Irgendwie schön.
"Vielleicht sehen wir uns nächste Woche in der Klinik, weißt du?", meine ich wage, als sie wieder kommt. Einen Moment lang sieht sie überrascht aus, dann breitet sich ein echtes Lächeln auf ihren Lippen aus.
"Ehrlich?"
Ehrlich, weil ich es nämlich schon wieder verbockt habe. Ich elender Versager. Aber sie ja auch, und sie wirkt absolut nicht, wie eine Versagertype. Ehrlich, Bonnie.
"Ehrlich."