Meine Schulter? Ich runzle die Stirn, hebe meinen rechten Arm an und - fahre zusammen. Schmerz durchzuckt mich von oben bis unten, ich fluche leise. Mit zusammengebissenen Zähnen erkundige ich mich, was passiert ist. Clarisse hat jetzt aufgehört zu lächeln, sondern sieht mich eher ungläubig an. In dem Moment, in dem sie mich fragt, ob ich denn wirklich gar nichts mehr weiß, fällt mir langsam aber sicher wieder etwas ein. Die Erinnerungen an die Party werden wach, etwa zwei Minuten, nachdem ich die Augen aufgeschlagen hatte.
Gestartet war alles eigentlich optimal. Wider Erwarten hatte ich Martens, Daniel und Mathis nicht verpasst, wir waren zusammen in dem Club angekommen, ich wurde hier und da mit einem einem fröhlichen Schulterklopfen oder Nicken begrüßt. Nachdem ich den ersten Cocktail, den mir ein Mädchen in die Hand gedrückt hatte, einem anderen geschenkt hatte, kam mir kein Alkohol mehr unter. Das riesige Buffet am Rand des Raumes sah so wenig einladend aus, wie noch nie, dafür waren die Leute unglaublich offen. Schnell hatten Mathis und ich ein Gespräch mit zwei Mädchen aus Clarisses Stufe - eine unter uns - angefangen. Die eine, Cassy genannt, fragte mich, ob ich mit ihr tanzen würde, und ich willigte ein. Woran auch immer es lag - am Licht, der Musik, der stickigen Luft - hatte ich weniger Bedenken, was das anging, als dass mir doch noch von irgendwo her Alkohol zugeflogen kommen würde.
Und dann? Wieder ein fragender Blick Richtung Clarisse. Sie seufzt. Nachdem sie fertig mit erzählen ist, sitze ich mit ungläubigem Gesicht in meinem Bett und starre sie an. So, wie es sich anhörte, war Cassys Freund aufgetaucht, hatte uns tanzen sehen und daraufhin eine Prügelei gestartet, die darin geendet hatte, dass Martens ihn auf die Bretter gehauen hatte. Ich fühle einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Clarisse erzählt weiter, dass ich nach dem ganzen ziemlich benommen gewesen wäre. Eine knappe Stunde später hätte sie mich nach Hause geschleppt.
Ich könnte alles fragen. Wie spät es jetzt war, wie es Martens geht, ob er diesem Freund etwas gebrochen hatte, was Cassy zu alledem sagte. Warum Clarisse auf einer Party ab 18 gewesen war und dass ich ihr dankbar für die vermeintliche Rettung bin. Die einzige Frage, die ich ihr stelle, scheint sie aus der Bahn zu werfen. Sie steht auf, nimmt ihr Buch in die Hand und geht schnell zur Tür. "Du hättest dir echt wehtun können, verdammt!", zischt sie, ihre Stimme klingt trotz der geringen Lautstärke irgendwie schrill, "und das einzige, was dich interessiert, ist, ob du noch vom Buffet gegessen hast?! ...im Ernst jetzt, du hast sie doch nicht mehr alle!"
Sie reißt die Tür auf, ich sehe ihren Bauchspeck in dem engen Partytop, das sie immer noch trägt, hüpfen.
"Gute Nacht, Nic!"
Gott, ich weiß doch auch nicht, warum.